Immer wieder werden wir von Journalisten gefragt, ob es möglich wäre, Datenmaterial zum Thema Retouren bzw. Retourenmanagement bereitzustellen. Wir haben deshalb die plakativsten Ergebnisse unserer Studien auf dieser Seite zusammengetragen.
Retourenquote
Im Rahmen einer Verbraucherbefragung (n=538; 14-29 jährige Konsumenten) haben wir die Alpha- und Beta-Retourenquote abgefragt.
Die Alpha Retourenquote misst die Rücksendewahrscheinlichkeit eines Pakets. Für die drei umsatzstärksten Produktkategorien (Consumer Electronics, Fashion, Medien/Bücher) wurden in Abhängigkeit der Zahlungsart folgende Durchschnittswerte ermittelt:
Â
Consumer Electronics
Fashion
Medien/Bücher
Rechnung
18,60%
55,65%
11,45%
E-Payment
13,68%
44,10%
8,08%
Vorkasse
8,59%
30,15%
4,46%
Tab. 1: Alpha-Retourenquote in Abhängigkeit der Zahlungsart
Da insbesondere im Fashion-Bereich ein Großteil der Bestellungen auf Rechnung erfolgt, kann in diesem Bereich davon ausgangenen werden, dass ca. jedes zweite versendete Paket wieder von den Kunden retourniert wird.
Die Beta-Retourenquote zeigt die Rücksendewahrscheinlichkeit eines Artikels auf. Da Kunden häufig Auswahlbestellungen tätigen (d.h. mehr als einen Artikel pro Paket bestellen), ist die Beta-Retourenquote meist niedriger:
Â
Consumer Electronics
Fashion
Medien/Bücher
Rechnung
14,35%
45,87%
5,83%
E-Payment
8,75%
37,31%
5,58%
Vorkasse
5,39%
26,13%
3,92%
Tab. 2: Beta-Retourenquote in Abhängigkeit der Zahlungsart
Ebenfalls von Interesse sind geschlechterspezifische Auswertungen. Unsere Untersuchungen haben ergeben, dass Frauen insbesondere im Fashion-Bereich signifikant häufiger zurücksenden als Männer.
Der Zusammenhang bewahrheitet sich auch hinsichtlich der artikelbezogenen Beta-Retourenquote. Demnach senden Frauen einen bestellten Mode-Artikel mit größerer Wahrscheinlichkeit zurück als Männer:
Bitte beachten Sie, dass es sich um Durchschnittswerte handelt. Bei den am häufigsten retournierten Gütern handelt es sich um modische Textilien und Schuhe. In diesen Sortimenten können teilweise Retourenquoten von 70-80% beobachtet werden.
Retourenmenge
Um eine Einschätzung über die Anzahl der in Deutschland transportierten und bearbeiteten Retourenpakete zu erhalten, wurden 302 Versandhändler unter anderem zur Retourenmenge und dem erzielten Umsatz befragt. Die Unternehmen bearbeiteten in der Summe 5.774.560 Rücksendungen und erwirtschafteten im gleichen Zeitraum einen Umsatz in Höhe von 793.808.397 Euro.
Nach diesen Zahlen muss man im deutschen Versandhandel pro umgesetzten Euro mit 0,00727 Rücksendungen rechnen. Da der Bundesverband Versandhandel den Gesamtumsatz im Jahr 2012 mit 39,3 Mrd. Euro angibt, resultieren daraus:
39,3 Mrd. Euro * 0,00727 Retouren/Euro = ca. 286 Mio. Rücksendungen
Um die Validität der Schätzung zu überprüfen, erfolgte ein Abgleich mit der KEP-Studie der Beratungsgesellschaft ATKearney [1]. Diese schätzt die Anzahl der B2C-Sendungen 2012 auf ca. 1 Mrd. Pakete. Folglich beträgt die Versandhandels-Retourenquote auf Paketbasis ca. 28,6%. Dies erscheint in Anbetracht der in der Verbraucherbefragung festgestellten Retourenquoten als realistisch.
Um sich die enorme Zahl von jährlich 286 Mio. Retouren zu veranschaulichen, kann es sinnvoll sein, die Pakete (Annahme: Kantenlänge 40cm) gedanklich aneinander zu reihen. Es ergibt sich eine Strecke von:
286 Mio. Retouren * 0,4 Meter/Retoure = 114.400.000 Meter bzw. 114.400 Kilometer
Bei einem Erdumfang von 40.000 Kilometern ergeben sich also 2,86 Erdumrundungen.
Mit den Rücksendungen geht aufgrund der notwendigen Transporte eine Umweltbelastung einher. DHL gibt die durchschnittliche CO2-Emission pro Paket mit ca. 500 Gramm an [2]. Wird dieser Wert auf die Retoure übertragen, ergeben sich für den Transport der 286 Mio. Rücksendungen CO2-Emissionen in Höhe von ca. 143.000 Tonnen.
Retourenkosten
Ebenfalls von Interesse sind die durch Retouren verursachten Aufwendungen, die ebenfalls in der voranstehend genannten Unternehmensbefragung erhoben wurden. Generell fallen Prozesskosten für den Transport, die Vereinnahmung, die Aufbereitung und Administration an. Im Durchschnitt betragen diese 7,93 Euro, hängen dabei jedoch offensichtlich von der Anzahl der bearbeiteten Rücksendungen ab. Wir haben nachfolgende Werte ermittelt:
Anzahl Retouren pro Jahr
Prozesskosten
Weniger als 10.000 Retouren
17,70 Euro
Zwischen 10.000 und 50.000 Retouren
6,61 Euro
Ãœber 50.000 Retouren
5,18 Euro
Tab. 5: Mittlere Prozesskosten einer Rücksendung in Abhängigkeit der Retourenanzahl
Das heißt, kleine Versandhändler mit wenigen Retouren tragen tendenziell höhere Kosten als Großunternehmen. Außerdem ist anzumerken, dass die Prozesskosten stark vom bearbeiteten Produkt abhängen. Textilien haben z.B. einen deutlich geringeren Kostensatz als Elektroartikel oder Möbel.
Neben den Prozesskosten ist zusätzlich der Wertverlust zu beachten, der dadurch zustande kommt, dass sich eine Rücksendung (z.B. durch die Ingebrauchnahme bzw. das Testen der Funktionsfähigkeit im Rahmen der Widerrufsfrist oder durch Transportschäden) nicht mehr als Neuware verkaufen lässt. Stattdessen werden die Produkte z.B. als Gebrauchtwaren angeboten (z.B. Amazon Warehousedeals), an einen industriellen Verwerter verkauft, gespendet oder entsorgt. Den Wertverlust geben die Befragten mit durchschnittlich 13,1% des Warenwerts an. Eine signifikante Abhängigkeit von der Retourenanzahl ist nicht nachweisbar. Bei einem mittleren Retourenwert in Höhe von 55,35 Euro entspricht der Wertverlust in der Stichprobe 7,25 Euro.
In der Gesamtbetrachtung kostet die befragten Versandhändler eine Retoure durchschnittlich:
7,93 Euro (Prozesskosten) + 7,25 Euro (Wertverlust) = 15,18 Euro
Die Studie zeigt weiterhin, dass es sich bei der von vielen Versandhändlern propagierten "kostenlosen Rücksendung" um einen Marketingschwindel handelt, da der Händler die erwarteten Kosten bereits vorab in den Verkaufspreis einkalkuliert. Prinzipiell handelt es sich bei der Retoure um ein Subventionsgeschäft. Die Kunden, die wenig zurückschicken, finanzieren über höhere Preise die Gruppe der Vielretournierer.
Missbrauch des kundenfreundlichen Widerrufsrechts
Ein weiteres Projekt der Forschungsgruppe Retourenmanagement setzte sich mit dem Missbrauch des Widerrufsrechts auseinander. Bei der Verwendung des Missbrauchsbegriffs ist zu beachten, dass der Gesetzgeber formaljuristisch keinen Missbrauchsfall vorsieht. Prinzipiell kann jeder Kunde ohne Angabe von Gründen seine Willenserklärung innerhalb von 14 Tagen widerrufen (vgl. §355 BGB). Gemeint ist deshalb das moralisch fragwürdige, opportunistische Ausnutzen der verbraucherfreundlichen Regelungen.
Anschauliche Beispiele sind Konsumenten, die Lederhose oder Dirndl vor dem Oktoberfest bestellen, dieses dort tragen und anschließend zurücksenden. Oder aber Kunden, die ein Handy vor dem Erscheinungstermin parallel bei mehreren Händlern bestellen, allerdings nur das zuerst Gelieferte behalten.
Im Rahmen der Studie wurden drei konkrete Tatbestandsmerkmale definiert, nach denen ein Missbrauch vorliegt:
Kunden bestellen Waren ohne tatsächliche Kaufabsicht zum Spaß (ausgenommen Auswahlbestellungen) und retournieren diese.
Kunden senden Artikel zurück, die sich in einem verschlechterten Zustand befinden.
Kunden nutzen Waren in einem Umfang, der über die in §357 BGB gewährte Prüfung der Eigenschaften und Funktionsweise hinausgeht, schicken sie aber trotzdem zurück.
Von den befragten Verbrauchern gaben 17,80% zu, bereits mindestens einmal die Widerrufsmöglichkeit bewusst im voranstehend beschriebenen Sinn zu ihren Gunsten ausgenutzt zu haben. Der mit dem Versandhandelsumsatz gewichtete mittlere Missbrauchsanteil beträgt 3,60% der Retouren. Besonders betroffen sind die Kategorien Fashion, Freizeit und Consumer Electronics (vgl. Abb. 1).
Abb. 1: Anteil missbräuchlicher Retouren in Abhängigkeit der Produktkategorie