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 Pressemitteilung vom 07.09.2022

Ergebnisse des Europäischen Retourentachos veröffentlicht

Der European Return-o-Meter (EUROM) schafft den bislang umfangreichsten Einblick in die Praktiken deutscher E-Commerce-Händler und vergleicht diese mit Händlern aus anderen europäischen Märkten.


Der EUROM ist die erste europäische Händlerbefragung zum Retourenmanagement im E-Commerce und aktualisiert die bisherigen, rein auf Deutschland bezogenen Vorgängerstudien der Forschungsgruppe Retourenmanagement (Retourentacho 14/15 und 18/19). Im Vergleich zu diesen Vorgängerstudien ist für den EUROM anzumerken:

  • Es konnte eine hochwertige Stichprobe gewonnen werden, in der zahlreiche umsatzstarke Händler vertreten sind (n=411). Dadurch nimmt die Repräsentativität der erzielten Ergebnisse deutlich zu.
  • Es wurde eine neue Gewichtungsmethodik eingesetzt, welche die Heterogenität der einzelnen Kennzahlen (bspw. Retourenquoten, Kosten, Verwertungsoptionen) genauer berücksichtigt. Das Vorgehen wurde erfolgreich in einer Metastudie erprobt und nun auf den EUROM übertragen [>> siehe Asdecker/Karl (2022): Shedding Some Light on the Reverse Part of E-commerce: A Systematic Look Into the Black Box of Consumer Returns in Germany", in: European Journal of Management 22 (1), S. 59-81].
  • Die Situation bei den öffentlich zugänglichen Sekundärdaten (insb. warengruppenbezogene Anteile ausgehender Sendungen) hat sich deutlich verbessert, was die Hochrechnung für den Gesamtmarkt valider und reliabeler macht.

Executive Summary

Durch die gute Stichprobe, die angepasste Methodik und die verbesserten Sekundärdaten ergeben sich zahlreiche Erkenntnisse, die das bislang bekannte Bild des Retourenmanagements im deutschen E-Commerce verändern. Die wichtigsten Ergebnisse in Stichpunkten zusammengefasst:

  • Bislang wurde die Retourenquote und -menge bezogen auf den deutschen Gesamtmarkt unterschätzt:
    • Nach unseren Berechnungen geht fast jedes vierte Paket (24,2 %) im E-Commerce an die Händler zurück.
    • Damit wurden 2021 schätzungsweise fast 530 Mio. Retourensendungen transportiert, in denen rund 1,3 Mrd. Artikel enthalten waren.
    • Der Fashion-Anteil beträgt bei den retournierten Sendungen 83 % und bei den retournierten Artikeln 91 %.

  • In der Vergangenheit wurden die Retourenkosten im deutschen Gesamtmarkt überschätzt:
    • Pro retourniertem Artikel betragen die mittleren Transport- und Bearbeitungskosten nach unseren Daten 2,85 Euro.
    • Pro Retourensendung belaufen sich die mittleren Transport und Bearbeitungskosten auf 6,95 Euro.
    • Es bestehen große Unterschiede in Abhängigkeit vom Warencluster und von der Händlergröße (kleine Händler haben deutlich höhere Kosten zu tragen).

  • Bisher wurde der direkt durch die Händler durchgeführte Entsorgungsanteil im deutschen E-Commerce überschätzt:
    • Im Mittel können 93,2 % der retournierten Artikel als neuwertig (sold as new) verkauft werden.
    • Der Anteil der durch die E-Tailer entsorgten Retouren liegt bei 1,3 %.
    • Der geringe relative Anteil darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass in absoluten Zahlen 2021 trotzdem schätzungsweise 17 Mio. retournierte Artikel entsorgt wurden.
    • Darüber hinaus wird die Entsorgung durch Wiedervermarkter und durch Kunden (Erstattung ohne Retoure) nicht erfasst. Die Zahl gibt also nur einen Teil des Problems wieder.

  • Die Studienergebnisse liefern Indizien dafür, dass die Umweltwirkung von Retouren (Annahme in vergangenen Publikationen der Forschungsgruppe Retourenmanagement: 850 g CO2e) unterschätzt wurde:
    • Unter jenen Unternehmen, die den Fußabdruck messen, beträgt der Mittelwert pro retournierter Sendung ca. 1.500 g CO2e.
    • Unterstellt man dieses Szenario, gehen auf die Retouren 2021 in Deutschland geschätzt 795.000 Tonnen CO2e zurück.
    • Die emittierte Menge entspräche dann 5,3 Mrd. mit dem PKW zurückgelegten Kilometern (bei 150 g CO2e/km).
    • Im Hinblick auf die Umweltwirkung von Retouren bedarf es dringend weiterer unabhängiger Forschung, um Unternehmen eine verlässliche Quantifizierung zu ermöglichen.
    • Bemerkenswert: Über 80 % der befragten Experten gaben an, dass ihr Unternehmen den ökologischen Fußabdruck nicht erfasst (Antwortoption: "No, my company does not measure the carbon footprint of a returned item."). Weitere 15 % konnten oder wollten keine Angaben machen (Antwortoption: "Don't know."). Weniger als 5 % gaben an, dass ihr Unternehmen den CO2-Fußabdruck der Retoure misst (Antwortoption: "Yes, my company measures the carbon footprint of a returned item. On average, we estimate it to be [response] grams of CO2-equivalents (CO2e).").
    • Es handelt sich dabei um kein exklusiv deutsches Phänomen. Auf europäischer Ebene war ein nahezu deckungsgleiches Antwortverhalten zu beobachten.

  • Darüber hinaus ermöglichen die Daten einen ersten europäischen Vergleich. Hierzu lauten die wesentlichen Erkenntnisse:
    • Deutschland ist nach unseren Daten Retouren-"Europameister"! Über alle Warencluster hinweg wurden in Deutschland die höchsten Retourenquoten beobachtet. Knapp dahinter folgen die weiteren deutschsprachigen Länder Schweiz und Österreich.
    • Im europäischen Vergleich realisieren deutsche E-Tailer niedrigere Kosten pro Retoure als ihre europäische Konkurrenz. Dadurch ergibt sich ein Wettbewerbsvorteil für den deutschen E-Commerce.
    • Deutsche E-Commerce-Händler sind besonders gut darin, ihre Retouren zu verwerten. Der Entsorgungsanteil ist in Deutschland niedriger als im Rest Europas. Interessant: Sowohl in Deutschland als auch im Rest Europas ist es für die Unternehmen offensichtlich attraktiver, Retouren zu entsorgen als zu spenden.

  • In der Studie wurden drei mögliche Ursachen für die hohen Retourenquoten in Deutschland bzw. die niedrigeren Quoten im Rest Europas ausgemacht:
    • Deutschland hat einen vergleichsweise hohen Rechnungsanteil bei Bestellungen, was bekannterweise zu höheren Retourenquoten führt (28,8 % Rechnungsanteil in deutscher Teilstichprobe vs. 9,9 % in Rest-EU).
    • In Deutschland gewähren die Händler sehr liberale Rücksenderegeln. Dies zeigt sich in der Studie in der durchschnittlich bei einer Bestellung eingeräumten Rückgabefrist, die in Deutschland deutlich länger ausfällt als im übrigen Europa (53,5 Tage in deutscher Teilstichprobe vs. 29,6 Tage in Rest-EU).
    • In Deutschland ist die Rücksendung in der Regel kostenlos (88,7 % der befragten deutschen Händler). Im europäischen Ausland ist dies deutlich seltener der Fall (52,4 %). Bei fast der Hälfte der Händler müssen sich die Kunden an den Kosten beteiligen: entweder über eine Gebühr (17,9 %) oder indem die Kunden die Kosten für den Rücktransport tragen (29,7 %).

Ausgewählte Screenshots






Wichtige Anmerkungen/Interpretationshinweise

  • Die Ergebnisse dieser Studie beziehen sich auf den E-Commerce und weisen teilweise auf problematische Themen hin (bspw. Entsorgung von Rücksendungen, Umweltwirkung von Retouren).
    • Die Studienautoren wollen explizit darauf hinweisen, dass sich die zugrundeliegenden Herausforderungen nicht auf den E-Commerce beschränken.
    • Andere Distributionskanäle (z.B. stationärer Handel) oder andere Teile der Supply Chain (z.B. Produzenten) sind davon grundsätzlich ebenfalls betroffen. Auch im stationären Handel werden beispielsweise Waren entsorgt. Jedoch ist die Daten- und Studienlage sowie Markttransparenz hierzu derart schlecht, dass zum aktuellen Zeitpunkt keine Einordnung oder Gegenüberstellung erfolgen kann.
    • Um eine solche Einordnung in der Zukunft zu ermöglichen, sind derartige Studien abseits des E-Commerce dringend erforderlich.
  • Aufgrund der veränderten Auswertungsmethodik sind die Ergebnisse des EUROM nicht direkt mit Kennzahlen früherer Publikationen vergleichbar.

Korrekte Zitation der Studie

Asdecker, B./Felch, V./Karl, D. (2022): "European Return-o-Meter - Ergebnisbericht Teil 1: Deutschland vs. Rest-EU", Forschungsgruppe Retourenmanagement, Otto-Friedrich-Universität Bamberg, S. 1-82.

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07.09.2022